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Klima-Politik-Wandel als stochastischer Prozess




Die Wahrscheinlichkeit, dass die USA ihre Ausgaben für Umweltschutz in einem der kommenden zehn Jahre verdoppeln, liegt bei 8 Prozent.

Wie sich das Klima in den kommenden Jahren verändern wird, hängt davon ab, wieviel Geld Staaten bereit sind, in den Klimaschutz zu investieren.
Aus der Policy-Forschung wissen wir, dass sich Staatsausgaben nicht linear entwickeln, sondern heftigen Schwankungen ausgesetzt sind. Bryan Jones, Frank Baumgartner u. a. beschreiben dies in ihrer Punctuated Equilibrium Theory und weisen empirisch nach, dass dies für alle Industriestaaten gilt.[1]
Aufbauend auf diesen Arbeiten ist es nun möglich, Haushaltsdaten mit Extremwertverteilungen zu analysieren. Dadurch können wir die Wahrscheinlichkeit für große Politikumbrüche in einzelnen Politikbereichen stochastisch ermitteln. Methodisch wird eine Gumbel-Verteilung mit maximum-likelihood-Verfahren geschätzt, aus der sich dann Wahrscheinlichkeitswerte ableiten lassen.
Im Bereich Klimaschutz sind die Ausgaben für Forschung und Wissenschaft, Energie und Umweltschutz relevant.
Betrachtet man die prozentualen Veränderungen des US-Haushalts in diesen Politikfeldern[2], so sieht man über längere Zeiträume heftige Schwankungen. Die Histogramme zeigen, dass die empirische Verteilung in etwa einer geschätzten Gumbel-Verteilung folgt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in einem der nächsten 10 Jahre die Ausgaben für Forschung und Wissenschaft um 100 Prozent oder mehr gesteigert werden, liegt bei 12 Prozent. Im Energiebereich kann mit 97 prozentiger Wahrscheinlichkeit von einer Erhöhung um 100 Prozent oder höher ausgegangen werden. Im Bereich Umweltschutz liegt die Wahrscheinlichkeit eines solchen Politikwechsels bei immerhin 8 Prozent. Allerdings sind drastische Haushaltskürzungen ebenfalls wahrscheinlicher als in der Regel angenommen.
Lassen sich diese Überlegungen in die Klimaforschung einbeziehen?

Und hier der R-Code:

budget <- read.csv("http://www.utexas.edu/cola/_webservices/policyagendas/budget/instances.csv?from=1945&to=2012")
science = subset(budget, TopicCode==250, select=c("Year", "pctChng"))
energy = subset(budget, TopicCode==270, select=c("Year", "pctChng"))
env = subset(budget, TopicCode==300, select=c("Year", "pctChng"))
par(mfrow=c(2,3))
plot(science, type="l", main="US-Budget Science")
plot(energy, type="l", main="US-Budget Energy")
plot(env, type="l", main="US-Budget Environment")

library(VGAM)
fit.science = vgam(science$pctChng~1, family="gumbel")
fit.energy = vgam(energy$pctChng~1, family="gumbel")
fit.env = vgam(env$pctChng~1, family="gumbel")

hist(science$pctChng, freq=F, xlab="", main="US-Budget Science")
curve(dgumbel(x, location = Coef(fit.science)[1], scale = Coef(fit.science)[2]), lty = 3,lwd=2, add=T)

hist(energy$pctChng, freq=F,main="US-Budget Energy", xlab="")
curve(dgumbel(x, location = Coef(fit.energy)[1], scale = Coef(fit.energy)[2]), lty = 3,lwd=2, add=T)

hist(env$pctChng, freq=F, main="US-Budget Environment", xlab="")
curve(dgumbel(x, location = Coef(fit.env)[1], scale = Coef(fit.env)[2]), lty = 3,lwd=2, add=T)

# Mit pgumbel lässt sich nun die Wahrscheinlichkeit ermitteln, dass die prozentuelle
# Veränderung in einem Jahr einen Wert von weniger als 100 einnimmt.
# Die Wahrscheinlichkeit, dass in 10 Jahren immer ein Wert von unter 100% erreicht wird,
# ist dann ^10. Die Gegenwahrscheinlichkeit gibt dann den Wert an, dass in einem
# der nächsten 10 Jahre eine Verdopllung (oder mehr) des Budgets erreicht wird.
1-pgumbel(100, location = Coef(fit.science)[1], scale = Coef(fit.science)[2])^10
1-pgumbel(100, location = Coef(fit.energy)[1], scale = Coef(fit.energy)[2])^10
1-pgumbel(100, location = Coef(fit.env)[1], scale = Coef(fit.env)[2])^10

 


[1] Siehe u. a.: Baumgartner, Frank und Bryan Jones. 2009. Agendas and Instability in American politics. Chicago: The University of Chicago Press; Jones, Bryan D., Baumgartner, Frank R. und James L. True. 1998. Policy Punctuations: U.S. Budget Authority, 1947-1995. Journal of Politics 60:1-33; Jones, Bryan D., Sulkin, Tracy und Heather A. Larsen. 2003. Policy Punctuations in American Political Institutions. American Political Science Review 97:151-169; Jones, Bryan D., Baumgartner, Frank R., Breunig, Christian, Wlezien, Christopher, Soroka, Stuart, Foucault, Martial, Francois, Abel, Green-Pedersen, Christoffer, Koski, Chris, John, Peter, Mortensen, Peter B., Varone, Frédéric und Stefaan Walgrave. 2009. A General Empirical Law of Public Budgets: A Comparative Analysis. American Journal of Political Science 53:855-873.
[2] Die Daten stammen von dem Policy Agendas Project (http://www.policyagendas.org).

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