Direkt zum Hauptbereich

100% für ganze Arbeit! Schluss mit halben Promotionsstellen in der Politikwissenschaft


Simon Hegelich

Leider ist es in der Politikwissenschaft an vielen Instituten in Deutschland üblich, dass Promovierende auf halben Stellen promovieren müssen. Ich kandidiere für das DFG Fachkollegium Politikwissenschaft, um das zu ändern.
Und ich unterstütze diesen Aufruf von Martin Grund, Marcel Knöchelmann, Martin Mann und Jule Specht.

Promotionsdauer ist gleich

Eine Promotion in Politikwissenschaft ist nicht weniger aufwendig als in anderen Fächern. Die Förderdauer von DFG-Projekten und auch die übliche Vertragslaufzeit von Promotionsstellen beträgt in der Regel drei Jahre, genau wie in anderen Fächern, in denen ganze Stellen üblich sind. Eine einfache Rechnung macht dies noch einmal deutlich: In den meisten Verträgen ist in der Tätigkeitsbeschreibung 30% für eigenständige wissenschaftliche Forschung (also die Promotion) vorgesehen. Auch bei DFG-Stellen, da die Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen ja auch die Hauptlast der Projektarbeit schultern. Bei 210 Arbeitstagen im Jahr kommt ein*e Doktorand*in nach drei Jahren auf eben diese 210 Tage, die vollständig an der Dissertation gearbeitet werden (210 * 3 / 3 = 210). Das ist aus meiner Erfahrung auch ein realistischer Wert. Wer sich ein ganzes Jahr wirklich um seine/ihre Dissertation kümmern kann, kann das schaffen. Bei einer halben Stelle sind es aber natürlich nur 105 Arbeitstage auf drei Jahre verteilt. Das schafft niemand.

Es geht nicht um die Arbeitszeit, es geht ums Geld

Eigentlich wissen es ja alle: Die halben (oder 65%-)Stellen gibt es doch nicht deshalb, weil das zeitlich ausreichen würde, sondern weil hier ungünstige Situationen bei Angebot und Nachfrage zusammen kommen: Die Sozialwissenschaften generieren nicht so viele Drittmittel. Daher können die Professor*innen nicht so viele Promovierende beschäftigen, wie sie gerne wollen würden. Gleichzeitig haben die Sozialwissenschaftler*innen nach ihrem Master weniger lukrative Angebote auf dem Arbeitsmarkt als viele Naturwissenschaftler*innen. Sie nehmen die schlecht bezahlten Stellen daher gerne an. Die Probleme der Finanzierung der Sozialwissenschaften löst das nicht. Zudem ist es, wenn man es genau nimmt, eine Umgehung der bestehenden Tarifverträge, definitiv aber eine völlig ungerechtfertigte Ausbeutung und Kannibalisierung des wissenschaftlichen „Nachwuchs“.

Schluss mit der Unterfinanzierung!

Anstatt den Mangel auf die Schultern der Promovierenden abzuwälzen, sollten sich die Professor*innen in der Politikwissenschaft für eine ausreichende Finanzierung einsetzen. Ein erster Schritt dahin ist sehr einfach. Die Fachkollegien der DFG entscheiden selbst, was als üblich im Fach gilt. Ein einfacher Beschluss reicht, und jeder DFG-Antrag kann ganze Stellen enthalten. Viele Kolleg*innen argumentieren, dass das eine Sogwirkung haben würde und es damit unmöglich wird, qualifizierte Leute für die halben Haushaltsstellen zu finden. Dazu kann man nur sagen: Hoffentlich!

Deshalb kandidiere ich für das DFG-Fachkollegium Politikwissenschaft. Die Wahl startet am 21.10.2019 und geht bis zum 18.11.2019, online über diesen Link: https://www.dfg.de/dfg_profil/gremien/fachkollegien/fk_wahl2019/index.jsp

Was viele nicht wissen: Man darf seine Stimmen über alle Fächer verteilen! Jede*r hat sechs Stimmen und kann bis zu drei Stimmen einer Person geben, egal in welchem Fach!

Wahlberechtigt sind alle promovierten Mitarbeiter*innen einer deutschen Forschungseinrichtung. Genaueres erfährt man hier: http://www.dfg.de/formulare/70_01/70_01_de.pdf

Wer wahlberechtigt ist, sollte schriftlich Wahlunterlagen bekommen haben, die so aussehen:


Wer keine Unterlagen bekommen hat, fragt am besten bei seiner Wahlstelle nach: https://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/fachkollegien/fk-wahl2019/wahlstellenliste.pdf

Ich würde mich über eure Unterstützung freuen. Und geht wählen!

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kritik an dem Science-Artikel der Priesemann-Gruppe „Inferring change points in the spread of COVID-19 reveals the effectiveness of interventions“

Der Science-Artikel von Dehning et al. (2020) gilt als Beleg für die Effektivität der Corona-Maßnahmen in Deutschland im März 2020. Wir glauben, dass der Artikel gravierende Fehler enthält und daher nichts darüber aussagt, ob insbesondere das Kontaktverbot vom 23.03.2020, irgendeinen Effekt hatte. Unsere Kritik haben wir bei Science eingereicht und sie ist hier zu finden: https://science.sciencemag.org/content/369/6500/eabb9789/tab-e-letters Im folgenden übersetze ich unseren Beitrag und gehe anschließend auf die Frage ein, wie Wissenschaft unter COVID-19-Bedingungen funktioniert und was daran bedenklich ist. Eine Kritik an ‘Inferring change points in the spread of COVID-19 reveals the effectiveness of interventions’ Wir haben den Artikel ‘Inferring change points in the spread of COVID-19 reveals the effectiveness of interventions’ analysiert und dabei gravierende Unstimmigkeiten im Design der Studie festgestellt: Anstatt das Datum der Wendepunkte (wann sich die COVID-19-Entwicklung i

Der Nutzerismus: Eine Ideologie mit totalitärem Potential

Ich glaube, dass wir derzeit den Aufstieg einer Ideologie erleben, die ich Nutzerismus nennen möchte. Hannah Arendt hat darauf hingewiesen, dass jede Ideologie zu einem totalitaristischen Regime führen kann und es gibt ernste Anzeichen, dass dies auch für den Nutzerismus gilt.  Was ist der Nutzerismus? Wie bei jeder Ideologie ist der Kerngedanke sehr einfach: Im Prinzip gibt es für alle gesellschaftlichen Probleme eine technische Lösung. Leider wenden die Menschen die richtigen Technologien nicht an. Sie nehmen ihre Rolle als Nutzer nicht wahr. Es geht dem Nutzerismus also um das Zusammenspiel von Mensch und Technik, allerdings immer wieder aus der gleichen Perspektive. Die Technik kommt vor als potentielle Lösung eines gesellschaftlichen Problems. Eventuell fehlt die perfekte Lösung noch, aber das ist dann als Auftrag an die Wissenschaft und die Ingenieure zu verstehen. Dieser Technikglaube hat etwas sehr Naives. Er abstrahiert zum Beispiel von allen Interessen, für die Technologien

Was man an der COVID-Politik über Faschismus lernen kann

Kritiker der Corona-Politik führen immer häufiger den Begriff Faschismus im Munde, um die politischen Maßnahmen zu beschreiben. Einerseits ist damit natürlich eine polemische Ablehnung verbunden: Wer will schon für Faschismus sein? Generell ist der moralische Vorwurf, etwas sei faschistisch oder faschistoid in der demokratischen Auseinandersetzung durchaus geläufig. Dabei wird jedoch meist auf etwas verwiesen, was zum demokratischen Staat dazu gehört und gerade keinen Faschismus begründet: Die Polizei, die das Gewaltmonopol durchsetzt, ist keine faschistische Organisation, ein Parlament, welches Bürgerrechte einschränkt, ist kein Beleg für die faschistische Aufhebung des Rechtsstaats und ein Medienartikel, der dazu aufruft, Bürger sollen Straftäter anzeigen, ist keine faschistische Propaganda, usw. All dies sind Beispiele für das Leben in demokratischen Gemeinwesen. Anstatt die Demokratie also immer gleich auf dem Weg in den Faschismus zu wähnen, wäre es angebracht, sich zu fragen, war