#360° Kameras werden unser Leben veränder
Ein Trend auf der diesjährigen
Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas sind 360°-Kameras.
Firmen wie Nikon, Ricoh und 360fly stellen Kameras für den
Konsumentenbereich vor, die mit Hilfe extrem gekrümmter Linsen in
alle Richtungen gleichzeitig filmen. Gopro zeigt eine Kombination aus
6 Kameras.
Nikon KEYMISSION 360
|
360°-Kameras mit ihrem Rundumblick
verändern die Art, wie Filme aufgenommen werden. Es wird nicht mehr
ein Objektiv gezielt auf einen Ausschnitt gerichtet, sondern die
Kameras laden dazu ein, einfach alles auf einmal aufzuzeichnen, so
dass der Nutzer später individuell entscheiden kann, welchen
Ausschnitt er betrachten will.
360fly (links BRG-Helmmodul) |
Selbstverständlich landet das
Filmmaterial nicht in einer privaten Videosammlung, sondern wird
gleich in den Sozialen Netzwerken geteilt. Youtube und Facebook
bieten bereits einen eigenen Kanal für 360°-Videos an.
Wenn sich diese Artikel als Massenware
durchsetzen – und vieles spricht dafür, zumal 360°-Kameras der
schnellste Weg in den Bereich Virtual Reality sind – erreichen wir
schnell einen Zustand der mehr oder minder vollständigen
Videoüberwachung des öffentlichen Raums: Allerdings nicht wie
bislang z. B. in London staatlich gesteuert, sondern völlig
dezentral und im Endeffekt allgemein zugänglich.
Der gopro-cube mit 6 Kameras |
Dabei geht es nicht nur um das
speichern von Videos im eigentlichen Sinne. Sondern durch
maschinelles Lernen lassen sich diverse Daten aus diesen Videos
generieren. Der jetzige Stand der Technik geht dabei schon wesentlich
weiter, als es den meisten Leuten bewusst sein dürfte:
Gesichtserkennung auch im großen Stil funktioniert bereits. Durch
die verbesserte Auflösung der Kameras (Nikon und 360fly haben schon
4K implementiert), ist es jetzt zudem möglich, Biodaten wie z. B.
den Puls einzelner Personen nachträglich aus den Videos zu erfassen.
Komplexere Algorithmen ermöglichen es, Menschen anhand ihrer
Bewegungen zu identifizieren. Und natürlich lässt sich auch bereits
maschinell errechnen, welche Produkte in welchen Videos auftauchen.
Hier ist in den nächsten Jahren mit
immensen Entwicklungsschüben zurechnen, zumal Google und Facebook
gerade die Schnittstellen zu ihren künstlichen Intelligenzsystemen
für Entwickler geöffnet haben. Der Google Computer ist jetzt schon
in der Lage, zu Bildern eine automatische Beschreibung zu generieren.
360fly ist das erste Unternehmen, dass maschinelles Lernen direkt mit
der Kamera verbindet: Die Firma zeigt auf der CES zwei entsprechende
Systeme, eines um automatisch den Fokus in 360°-Videos auf sich
bewegende Personen zu richten, sogar wenn die Kamera selber in
Bewegung ist (z. B. beim Snowboardfahren) und ein zweites, dass die
relative Geschwindigkeit von Fahrzeugen hinter der Kamera, die in
einem Motorradhelm integriert ist, misst.
Präsentation von Autopilot und Collision Avoidance von 360fly auf der CES |
Wir können heute nicht einmal ahnen,
was sich mit den Daten aus 360°-Videos in Zukunft alles anstellen
lässt.
Es liegt nahe, angesichts solcher
Szenarien nach staatlicher Regulierung zu rufen. Nur, wie soll diese
funktionieren? Vom deutschen Recht her ist es nicht erlaubt, Videos
zu veröffentlichen, in denen Personen sichtbar sind, die ihre
Zustimmung nicht gegeben haben. Ebenfalls untersagt es der geltende
Datenschutz, persönliche Daten von Personen ohne deren Zustimmung zu
erfassen, weiterzugeben oder mit weiteren Daten zu kombinieren. In
dem Moment aber, in dem Millionen von Nutzern solche Techniken
dennoch verwenden und diverse Konzerne weltweit diese öffentlichen
Daten ganz selbstverständlich auswerten, verfeinern und kombinieren,
laufen solche Gesetze einfach ins Leere.
Zudem ist auch zu fragen, welcher
öffentliche Nutzen eigentlich verloren ginge, wenn solche Praktiken
tatsächlich effektiv untersagt werden könnten. Auch das lässt sich
heute noch überhaupt nicht abschätzen, da es sehr darauf ankommt,
welche Anwendungen von wem wie eingesetzt werden. Wenn solche
Techniken beispielsweise die Zahl der Verkehrstoten deutlich senken
könnten, wäre die Gesellschaft sicher bereit, diverse Eingriffe in
das „Recht am eigenen Bild“ zu akzeptieren.
Eine entsprechende gesellschaftliche
Debatte lässt sich allerdings derzeit gar nicht führen, da niemand
weiß, was mit den Daten eigentlich passiert. Dies könnte ein
Ansatzpunkt für eine sinnvolle politische Steuerung sein:
Unternehmen, die öffentlich verfügbare Videodaten nutzen, könnten
verpflichtet werden, die Erzeuger dieses Materials zumindest über
die Nutzung zu informieren. Ähnlich, wie bereits Clicks und Views in
den Sozialen Netzwerken genau erfasst werden, ließe sich auch die
Auswertung dieser Daten statistisch festhalten. Erst damit wäre die
Grundlage gelegt, um eine fundierte Abwägung treffen zu können,
welche Daten wie und für wen zur Verfügung gestellt werden sollten,
welche Rechte dadurch berührt sind und wie z. B. auch die Vergütung
dieser Nutzung geregelt werden kann.
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