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It's a small #COVID19 world: Warum die Reduzierung von Kontakten vielleicht weniger hilft als erwartet

Das einzige Mittel, was der Politik derzeit gegen die Ausbreitung der COVID19-Pandemie einzufallen scheint, ist eine Reduzierung der Kontakte.

Es ist fraglich, ob damit die gewünschte Wirkung eintreten wird. Ein Grund für Skeptizismus ist, dass unsere sozialen Kontakte einem "Small World Network" folgen: D. h., es gibt einige Leute, die sehr viele Kontakte haben (zum Beispiel auf der Arbeit) und andere die sehr wenig Kontakte haben. Dadurch ist letztlich jeder mit jedem relativ eng vernetzt.

ForscherInnen der John Hopkins University haben in Science gerade sehr prominent auf diesen Small-World-Charakter hingewiesen.

Ich habe eine kleine Simulation gebaut, die folgende Schritte durchläuft:

  1. Ein zufälliges Small-World-Network wird erstellt.
  2. Ein "Virus" infiziert eine kleine Anzahl von Knoten.
  3. Mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit werden dann die Nachbarknoten infiziert (oder eben auch nicht). Dadurch breitet sich das Virus im Netzwerk aus.
  4. Dann werden aus dem Netzwerk zufällig eine festgelegter Anteil aller Verbindungen gelöscht und die Verbreitung wird in diesem ausgedünnten Netzwerk simuliert.
Hier ein Beispiel für die Infektion in einem simulierten Netzwerk und dann in dem selben, aber ausgedünnten Netzwerk.
Original Netzwerk
Netzwerk mit 30% weniger Verbindungen



In diesem Beispiel wurden die Kontakte um (Kanten im Netzwerk) um 30% reduziert. Die Anzahl der Infizierten nach fünf Intervallen sank aber nur von 98 auf 81.

Diese Simulation hat nicht den Anspruch, die Verbreitung von COVID19 angemessen zu erfassen. Dafür wären wesentlich komplexere Modelle nötig. Aber es lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
  • In einem Small-World-Network führt die Reduzierung der Kontakte (im Prinzip) zu einer Verlangsamung der Ausbreitung.
  • Wie stark der Effekt aber ausfällt, ist sehr stark abhängig von der Ausgangsdichte des Netzwerks und vom Grad der Ausdünnung.
  • Gegeben, dass die meisten aktuellen Ansteckungen im eigenen Haushalt und am Arbeitsplatz passieren, wage ich die These, dass ein Lockdown, der sich auf private Aktivitäten begrenzt, nahezu wirkungslos sein wird.


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